Samstag, 2. September 2017

Sizilien. Im Hafen von Siracusa. Die Geschichte von Aretusa und Alpheios.

Ob heute noch jemand sein Kind Aretusa nennen würde? Das ist wohl nur was für Unverbesserliche. Und das weniger, weil der Name nicht schön klänge oder nicht auf -a enden würde, wie das die "Top-Ten-2017" unter den weiblichen Vornamen sämtlich tun. Derzeit vorne liegen Lea, Lina, Lena, Lara, Lana (Quelle: hier!) - um den Namen "Aretusa" kommen also die meisten Namenssucher glücklich herum.

Um Siracusa aber kommt der Segler nicht herum: Hinter der Insel Ortygia liegt - vom Meer geschützt - die große Hafenbucht, ein Ort, an dem man in Ruhe liegt und einen einzigartigen Blick auf die Front der Palazzi hat, die sich Wohlhabende in der Gründerzeit auf der "sunny side" der Insel Ortygia errichteten.

Die Bucht ist weit. Doch wenn ab Nachmittag der für den Süden Siziliens typische Südwest die Bucht erreicht, liegt man auf Reede und vor Anker tatsächlich ruhiger als an den auflandigenTransit-Schwimmstegen der eigentlichen Marina von Siracusa.

Aber auch aus anderen Gründen kommt man um Siracusa nicht herum. Die Stadt war immer ein sehenswerter Spot, es gibt Tempel und Theater aus der griechischen Zeit lange vor Christus, und alles ist so beeindruckend wie das in den Fels gemeisselte Ohr des Dionysos, eine frühe Form einer Abhöranlage, mit der der Tyrann den Geheimnissen der von ihm gequälten Gefangenen lauschte. 

Doch von all den Attraktionen Siracusas zieht mich immer wieder die Arethusa-Quelle an, ein paar Schritte von meinem Ankerplatz, man erkennt ihre Einfassung auf dem obersten Fotos ganz rechts neben dem roten Gebäude.

Quellen, auf die man unvermutet trifft, sind ja an sich schon etwas entzückendes. Aber eine Quelle sprudelnden Süßwassers keine drei Schritte vom anbrandenden Meer entfernt: Das grenzt tatsächlich an ein Wunder. Aber wie es mit Siracusas Attraktionen so ist, ist mit der ungewöhnlichen Nähe von süß und salzig die Attraktion noch nicht erschöpfend erklärt. An der Aretusa-Quelle gibts noch mehr zu bewundern: Inmitten des Beckens ein kleiner Wald aus Papyrus, pinseligen Schilfhalmen - einer der wenigen in Europa, wenn nicht der einzige. Vermutlich kam er mit den Phöniziern, diesen Meistern des "Aus-allem-Geld-machen, was-in-der-Natur-uns-umgibt" auf die Insel, sie trieben sich vor den Griechen in der Gegend herum. Doch keiner weiß, auf welchem phönizischen Händlerschiff vor wievielen zigtausend Jahren die ersten Urahnen-Ableger eines Papyrus-Hälmchens hier eintrafen.

Goldfische schwimmen im Süsswasserbecken - zu gerne würde ich denken, dass es Koi-Karpfen sind, während über dem Papyrus-Wäldchen am Meer die Libellen ab und an über den Beckerand schwirren, um mal kurz im umgebenden Gewirr aus Autolärm, Pizzerien, Gelaterien neben der Quelle andere Optionen für ein erfülltes Leben zu prüfen als das dauernde Sein in wiegenden Schilfhalmen. Sie kehren jedoch schnell wieder zum wundersamen Süßwasser zurück, wie mir scheint, jetzt bloß keine Experimente. Auch die großen Meeräschen halten es so, die hin und wieder von draußen vom Meerwasser kurz ins Süßwasserbecken zur Quelle schwimmen, um sich hier ein bisschen zu amüsieren. Ein Wunder ist irgendwie auch das - oder ist jedem klar, dass ein Salzwasserfisch auch im Süßwasser anstandslos an seine Luft rankommt? Und Salzwasser-Kiemen auch im Süßwasser tadellos funktionieren, Hybrid-Kiemen sozusagen, die nicht von Zucker verklebt den Geist aufgeben.



Ihre Süßwasserquelle muss schon den Griechen aus Korinth, die beschlossen, hier ihre Stadt zu gründen und die, die vorher da waren, wegzuekeln, irgendwie als Wunder vorgekommen sein. Und um das zu erklären, woben Findige aus all den Mirakeln rund um die Quelle am Meer die folgende Geschichte: 

Alpheios, ein Jäger verliebte sich unsterblich in die schöne Aretusa. Er wollte. Sie aber nicht. Sie floh den Unerwünschten. Und verwandelte  sich in eine Quelle. Und wanderte unterirdisch, von Nebeln umhüllt, von Griechenland hierher auf die Insel der Griechen.

Wer nun denkt, dass damit die Geschichte zu Ende wäre, der irrt. Alpheios weinte. Er weinte über die Verlorene so sehr, das er sich in einen Fluss verwandelte, der nach langem Irren und Suchen übers Meer endlich auch die Ortygia erreichte. Und sich dort als Fluss endlich, endlich mit Aretusa, der Quelle, vereinigte.

Womit dann dem unwiederstehlichen Zauber der Aretusa-Quelle in der Abenddämmerung noch ein weiterer Zauber hinzugefügt wurde.


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