Montag, 7. August 2017

Segeln in Montenegro: Ankommen in der Bucht von Kotor.















Sie kommt anfangs unscheinbar daher. Unspektakulär und unscheinbar, die Bucht von Kotor. Dabei markierte sie einst das spektakuläre südliche Ende dieses Jugoslawien, in das noch in den 80ern alljährlich deutsche Familien mit Kindern auf die Campingplätze strömten. Erinnert sich noch jemand? "Ja zu YU" lautete der prominente Werbespot, der ein geflügeltes Wort war wie "Berlin tut gut".

Dann kam der Krieg. Niemand ging mehr hin. Von Jugoslawien blieben Einzelteile. Der südlichste davon, an der Grenze zu Albanien, ist Montenegro. Kaum 650.000 Einwohner groß, im Krieg anfangs auf Seiten der serbisch dominierten Bundesarmee, später ausgeschieden, heute EU-Beitrittskandidat. Als Land ein Winzling, mit Touristen überwiegend aus Serbien, der Ukraine und Russland, mit der Währung Euro und den Polizeisirenen von New York. Es sind die einfacheren Russen, die an dieser Küste Urlaub machen. Junge Leute, die in Moskau arbeiten, so wie Marija, die ich an der Bushaltestelle kennenlerne und die frei erzählt, was ihre Generation über Putin, die Oligarchen, über Angela Merkel und The Donald denkt.

Velimir, der Taxifahrer, der mich auf dem Rückweg mit meinen Tüten vom Gemüsemarkt überredet, doch Bus Bus sein zu lassen und für fünf Euro lieber sein Taxi zu benutzen, klagt: Die Touristen hätten alle kein Geld mehr. Die Russen nicht. Die Ukrainer nicht. Die Serben sowieso nicht. Nur die Italiener. Und die Deutschen. Um Velimir den Glauben nicht zu rauben, bezahle ich mehr als ich muss. Rudere zu LEVJE. Und breche auf in die Bucht von Kotor.

Anfangs nette kleine Häuschen. Einige rasch gewachsene Siedlungen, an deren alten Kirchen man den Dorfkern des einstigen Weilers erkennt, bevor sie in den letzten dreißig Jahren pubertierend drauf los wuchsen. Als mich der Kreuzfahrer, die NORWEGIAN STAR, kurz vor der Engstelle von Kamenari überholt und sich langsam da durchdrückt, bekomme ich eine erste Ahnung, dass es dahinter nicht so unscheinbar weitergehen wird wie zuvor. Die Berge steigen im hinteren Teil schroff an. Kaum bin ich mit LEVJE durch die Engstelle motort und drei Fähren ausgewichen - die weiße "Dicke" vor mir ließen sie in Ruh'. Auf mich gehen sie los! - bleibt mir die Spucke weg.

Nach Norden hin steigen die Berge an, als wäre dies hier irgendeine Ecke am Lago di Garda oder dem Lago Maggiore. Das Kloster von Gospa od Skrpjela auf seinem Felsenriff wirkt winzig in der Landschaft. Und selbst die vorher imposante NORWEGIAN STAR gibt ganz klein bei und verliert sich in der Weite aus Gebirge und Meer. Ein bisschen misstrauisch schiele ich die steilen Hänge hinauf. Wenn das mal keine Fallböen gibt heute Nacht. Da habe ich schon wegen kleinerer Hügel die Nacht über kein Auge zugetan.

Die Wassertiefe im Fjord ist bis zum Ufer stets 25 Meter. Ankern? Nur dicht am Ufer. Die Bucht von Kotor ist ein Flusstal, dass sich das Meer geholt hat, als es in den letzten 5.000 Jahren um 100 Meter anstieg. Vorher war dies vielleicht alles ein fruchtbares Schwemmlandtal.

Ich bekomme Lust, in den Bergen zu wandern. Hitze hin. Hitze her. Es sind pittoreske Dörfer, die sich in die Hänge schmiegen. Prcanj könnte - was seine Barockirche angeht - auch gerne irgendwo in Sizilien liegen. Alles sieht verlassen aus, und irgendwie wie Auenland. So ganz anders als das Städtchen Herceg Novi, in dessen weiter Bucht ich in der Abenddämmerung einen geschützten Platz gefunden zu haben meinte. Und mir die mitleidigen Blicke der Bootssteuerer nicht erklären konnte - bis gegen 21 Uhr in der Dunkelheit die Disco am Ufer zu wummern anfing wie ein Getthoblaster. Ich startete den Motor. Holte den Anker. Und suchte mir in der Dunkelheit zwei Seemeilen weiter ein ruhiges Plätzchen vor der der Zollpier, wo um Mitternacht nur ein paar Betrunkene grölten.

Nein. Hier scheint alles friedlich. Und verlassen. Und irgendwie heil geblieben. Perast am anderen Ufer scheint genauso schön - aber das hebe ich mir heute auf genauso wie Risan hinter der Klosterinsel. Für heute folge ich lieber der NORWEGIAN STAR - wo die vielen hingehen: da muss es doch schön sein. Und tatsächlich. Die "Dicke" lässt ihren schweren Anker genau vor dem Städtchen Kotor am Südende der Bucht fallen.

Ein mindestens ebenso pittoresker Ort. Wer genau hinsieht kann links und rechts über dem Städtchen die Wehrmauern erkennen, die sich wie die chinesische Mauer gleichmütig in die Höhe ziehen und das Städtchen umschließen. 


Zwei Fußballfelder hinter der NORWEGIAN STAR lasse ich auch unseren Anker fallen. Ich kenne die Verhaltensweisen der Brüder Kreuzfahrer. Und weiß, dass spätestens heute Abend die NORWEGIAN STAR wieder weiterziehen wird. Um ihre Gäste beim Aufwachen am nächsten Morgen schon mit dem nächsten Highlight ein paar Buchten weiter zu überraschen. Korfu? Olympia? Wer weiß das schon. Das Städtchen Kotor und die Bucht bleiben heute Abend einfach wieder sich selber überlassen. 



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen